CHRISTA KERN

MÄRCHEN

 


Es war einmal………

…vor langer, langer Zeit irgendwo in einer kleinen Stadt. Dort lebte eine junge Frau ganz alleine mit ihrem Kater, ein paar Hühnern und Hasen in einem kleinen Häuschen am Waldrand. Sie war eine kleine, zierliche Person mit langem, blonden Haar welches sie meist zusammengebunden trug.

Sie hatte dort nicht immer alleine gelebt. Ein altes Ehepaar hatte sie aufgezogen nachdem ihre Eltern gestorben waren. Damals war sie noch ein ganz kleines Mädchen gewesen und hatte bei ihnen eine schöne Kindheit verleben dürfen.

Eines Tages jedoch starb die Alte und nur wenige Wochen später, vor Kummer am Tod seiner geliebten Frau, auch der Mann. Von nun an war das Mädchen ganz alleine und auf sich gestellt. Es hatte von ihren Zieheltern gelernt was zu tun war um zu überleben. Es fütterte die Tiere in dem kleinen Stall gleich neben dem Haus und baute Kräuter und Gemüse im Garten an.
Ab und zu kamen Wanderer oder Bewohner aus der nahe gelegenen Stadt an seinem Häuschen vorbei, aber ansonsten hatte sie keinen Kontakt zu Menschen. So war ein Jahr um das andere eingezogen ohne dass etwas besonderes geschehen war. Aus dem Mädchen war eine schöne, junge Frau geworden. Eigentlich war sie sehr glücklich gewesen, aber von Zeit zu Zeit hatte sie eine ungekannte Sehnsucht, eine Unruhe in sich gespürt.

Eines Nachts träumte sie von einem stolzen, jungen Mann mit langem, blond gelocktem Haar, welches er zusammengebunden trug. Er hatte blaue Augen, die waren so blau, wie sie es noch nie bei einem Menschen gesehen hatte. Die junge Frau war so vom Bild des jungen Mannes eingenommen, sodass ihre Gedanken immer wieder bei diesem Traum landeten.
Ab da wiederholte sich der Traum jede Nacht und sie fing an, sich in den jungen Mann zu verlieben. Sie hoffte jeden Tag, dass er schnell vergehen möge, und freute sich auf den Abend und die Nacht um im Traum den jungen Mann wieder zu sehen.

Eines Tages, sie war gerade bei ihrem Frühstück gesessen, fasste sie den Entschluss, den Mann aus ihrem Traum zu suchen. Sie wollte nicht mehr alleine sein, denn jetzt erst merkte sie wie einsam sie war.
Sie packte ihren kleinen Rucksack mit ein paar Lebensmittel und Kleidung, versorgte den Kater und die anderen Tiere mit Futter und machte sich auf den Weg.

Sie war schon einige Zeit unterwegs gewesen als ihr auf eine Waldlichtung eine alte Frau begegnete. Die Alte bat sie um ein Stück Brot, das die junge Frau ihr sogleich reichte. Nachdem die Alte das Brot verzehrt hatte, bedankte sie sich und fragte die junge Frau was sie denn hier draußen, mitten im Wald so allein mache. Diese antwortete: „Ich bin auf der Suche nach dem Mann aus meinen Träumen mit dem langen, blond gelockten Haar und den schönsten blauen Augen der Welt.“ Eine zeitlang blieb die Alte still vor ihr stehen und dachte nach, dann sah sie die junge Frau mit traurigen Augen an und sagte zu ihr: “Mein liebes Kind, ich glaube nicht, dass es diesen Mann hier draußen irgendwo gibt.“
Das enttäuschte die junge Frau, aber sie wollte nicht glauben was sie da gehört hatte. Sie verabschiedete sich von der Alten und ging weiter in den Wald.

Als sie so in Gedanken vor sich hin ging, verstellte ihr plötzlich ein riesiger Wolf mit großen Augen den Weg und sah sie neugierig an. Vor Schrecken und Angst blieb die junge Frau erstarrt stehen. Der Wolf sagte: „Fürchte dich nicht, ich werde dir kein Leid zufügen. Aber was macht so eine hübsche, junge Frau alleine mitten im Wald wo doch hinter jedem Baum Gefahren lauern?“ Langsam hatte sich ihre Erstarrung gelöst und sie antwortete mit ängstlicher Stimme: „Ich bin auf der Suche nach dem Mann aus meinen Träumen mit dem langen, blond gelockten Haar und den schönsten blauen Augen der Welt.“ Da der Wolf ihr helfen wollte, überlegte er hin und her. Dabei gab er immer wieder komische Laute von sich. Mit großen, hoffnungsvollen Augen schaute das Mädchen zu dem Wolf, als er anfing zu sprechen: „Hmmhmm …. junge Frau, ich habe schon einige Jahre auf dem Buckel und bin schon durch viele Wälder gekommen, aber so ein Mann ist mir noch nie begegnet. Ich glaube diesen Mann gibt es nicht.“
Die junge Frau spürte wie sich eine bleierne Schwere auf ihre Brust legte, und musste ein paar Mal schlucken, bevor sie sprechen konnte. Sie bedankte sich bei dem Wolf und ging weiter.

Sie war nun schon einige Zeit unterwegs und ihre Hoffnung fast verloren den Mann aus ihren Träumen noch zu finden. Traurig setzte sie sich auf einen Stein und fing bitterlich an zu weinen.
Ihr Schluchzen war so laut, dass man es im ganzen Wald hören konnte, und die Tiere im Wald hatten großes Mitleid mit ihr. Sie kamen alle, Rehe, Hirsche, Hasen, Käfer, Vögel und viele mehr. Sie standen in einem Kreis um sie und sahen sie an.
Sie berieten gerade, wie sie denn der jungen Frau helfen könnten, als plötzlich eine Stimme zu hören war. Erschrocken fuhr die junge Frau auf. Auch die Tiere starrten in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war.

Es war die Stimme der alten Eiche, unter der die junge Frau saß. Sie sagte: „Du brauchst keine Angst vor mir haben. Sag mir, warum du so bitterlich weinst, dass du mich sogar aus meinem tiefsten Schlafe wecken konntest? Außerdem haben deine Tränen meine Füße ganz nass gemacht.“ Die junge Frau sah nun, dass sie auf den riesigen Wurzeln der alten Eiche saß. Sie entschuldigte sich bei ihr und flüsterte: „Verzeih, das wollte ich nicht, aber ich bin schon so lange auf der Suche nach dem Mann aus meinen Träumen mit dem langen, blond gelockten Haar und den schönsten blauen Augen der Welt.“

Die alte Eiche hatte ihr Haupt gebeugt um sie besser sehen zu können und sagte zu ihr: „ Ich bin nun schon viele hundert Jahre alt, man hat mich oft verletzt aber oft durfte ich auch viel Freude erleben. Meine Rinde wurde außen hart wie Stein, aber innen drin bin ich weich geblieben. Viele Menschen suchten bei mir Rat und ich konnte den meisten von ihnen helfen, indem ich ihnen Energie und einen Blick in ihre Zukunft gab.
Einen Mann, wie du ihn beschreibst, mein liebes Kind, habe ich noch nie gesehen und noch nie zuvor von ihm gehört. Ich glaube den Mann aus deinen Träumen gibt es nicht.
Nicht auf deiner Suche und nicht hier auf dieser Erde. Geh wieder nach Hause zu deinen Tieren, die dich lieben und vermissen. Lache viel und lerne liebevoll mit dir selbst umzugehen. Fange an, das, was du machst und bist, zu lieben. Erst wenn du all das kannst, wird der richtige Mann zu dir kommen. Es wird vielleicht nicht der Mann aus deinen Träumen sein, denn der ist nicht real. Aber es wird der Richtige für dich sein und du wirst Ihn sofort erkennen. Träume können wahr werden, aber meist nicht so, wie wir sie zu verstehen glaubten.“

Die alte Eiche schüttelte sich und ein Ast fiel vor die Füße der jungen Frau. „Hier ist einer von meinen vielen, abertausenden Armen, nimm ihn mit und wann immer du traurig bist oder nach einer Antwort suchst, berühre ihn und er wird dir helfen, eine Antwort auf deine Fragen finden.
Die junge Frau bedankte sich bei der Eiche und ging nach Hause. Die Tiere des Waldes begleiteten sie noch bis zum Waldrand, von dem aus sie bereits ihr kleines Häuschen sehen konnte. Sie winkten ihr noch einmal zu und verschwanden wieder im Wald.

Die junge Frau fand ihre Tiere und das Häuschen so vor, wie sie es verlassen hatte, aber trotzdem war heute etwas anders. Sie spürte zum ersten Mal eine unendliche Liebe in sich, als sie jedes Einzelne ihrer Tiere begrüßte, umarmte und herzte. Von da an lebte sie mit ihren Tieren und der Natur im Einklang, sogar die Hühner legten größere und schönere Eier und der Kater gab ihr all die Liebe und Wärme die sie so sehr brauchte.

Ob der Mann aus ihren Träumen oder ein anderer in ihr Leben kam, kann hier an dieser Stelle nicht beantworten werden, vielleicht ein andermal………..