JOSEFA MAYER-PROIDL

FILM AB

 

FILM AB ...

Fatal zu glauben, dass er geistig noch fit ist.
Er merkt, dass er sich nichts merkt. Seine Hände zittern. Er kann den Löffel nicht halten. Nichts behalten. Zuerst war es peinlich. Windel. Windelhose. Wieder zum Baby geworden. Ausgeliefert. Hilflos. Jetzt hat er sich daran gewöhnt. Alle hier sind hilflos.
Zwei Jahrzehnte hatte niemand seinen Körper gestreichelt. Zwei Jahrzehnte lebte er schon allein.
Sehnsucht. Er hatte Sehnsucht gestreichelt zu werden. Die Gefühle waren die gleichen geblieben. Gefühle wie vor fünfzig Jahren. Das selbe Kribbeln im Bauch. Die selben Glücksgefühle wie vor Jahrzehnten. Die Haut war gealtert. Faltig. Aschgrau. Aber sie war sensibel. Sehr sensibel. Er streichelt über sein Gesicht, die Arme, die Brust. Oh Gott, hatte er Sehnsucht berührt zu werden!
Die Schwester wechselt seinen Verband. Er spürt keinen Schmerz. Er hofft nur, dass ihre Hand lange auf seiner liegt.
Sein Film rollt ab. Er ist der Hauptdarsteller. Alles läuft ab. Nicht aufzuhalten. Warum sollte er es aufhalten? Es soll ablaufen. Un-gebremst. Ablaufen. Ablaufen. Jeder Tag in seinem achtzig-jährigen Leben läuft jetzt ab. Wie ein Film. Einmal. Zweimal. Ununterbrochen. So lange ein Film auf der Spule ist. Zurückspulen. Wieder von vorne beginnen. Stundenlange Vorführungen. Immer dieser Film.
Film ab...