Vom Heldenplatz
kommend, überquere ich den Ring und stehe zwischen den Museen. Ich
schaue auf zur Landesmutter, die auf der Höhe des ihr gewidmeten
Monuments trohnt. Was Maria Theresia, die Mutter des großen, alten
Österreichs für ihre Kinder-Untertanen tat, ist aus den Geschichtsbüchern
zu ersehen; was sie für ihre eigenen Kinder war, ist zum Teil aus
den erhalten gebliebenen Briefen an ihre Söhne und Töchter zu
lesen. In der kaiserlichen Familie tummelte sich damals im 18. Jahrhundert
eine große Kinderschar, die zu zwei Dritteln, beinahe einem Dutzend
aus Mädchen bestand.
An der Wende des 19. zum 20. Jahrhundert tummelte sich in der Familie
meiner Großmutter ein halbes Dutzend Töchter. Großmutter,
die einen Bauernhof im Weinviertel bewirtschaftete, befehligte wie ein
General die Schar. Das mußte sie wohl auch, da der Vater der Mädchen
gestorben war, als die Älteste kaum 14 Jahre zählte. Die Weiberwirtschaft
funktionierte, und als Großmutter krank war, herrschte sie noch
vom Bett aus über ihr Territorium.
Die Familie, in der ich erwachsen werden sollte, bestand lediglich aus
Kind, Vater und Mutter, wobei letztere ein notwendiges Familienmitglied,
zuständig für waschen, bügeln und kochen war. Daß
diese Frau mir Ermahnungen und Kritik lautstark mitteilte, war ein Übel;
den Klang ihrer Worte hörte ich wohl, doch was sie mir sagen sollten,
das nahm ich nie auf, lediglich an der eingetretenen Stille merkte ich,
daß die Predigt zu Ende war. Vater war mein Kamerad, ihn liebte
ich mehr.
Dann kam der zweite Weltkrieg. Etliche Jahre danach kamen sich in einer
Familie in Wien, der ich nun angehörte, ein Viertel Dutzend Töchter
in die Quere. Der Vater verbrachte mehr Zeit mit den Mädchen, da
die Mutter auch einen Beruf hatte, und die Oma war, sooft es not tat,
für ihre Enkelinnen da, und jetzt erst merkte ich, welch edles Herz
in der Frau schlug, zu der ich als Kind "Mama" sagte.
Die drei Mädchen lieben ihren Vater über alles; ich weiß
das, ich kenne sie ganz genau, denn ich bin ihre Mutter.
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