MARIANNE
WAPPELSHAMMER
HEXENTÄNZE DES LEBENS
Esmeralda
die kleine graue Hexe saß auf dem Dach der windschiefen altersgeschwärzten
Hütte und kreischte laut, als sie ihre schwarzborstige Schwester
in der Regentonne entdeckte: "He, Clarissa Du Süße - hast
Du gesehen, was uns unsere alte Hexe schon wieder angetan hat? Stell Dir
vor, sie hat unsere schwarzen Besen rot bemalt, nur weil ihr diese Farbe
momentan besser gefällt. Außerdem hat sie die Besen hinter
der Ziegenstalltür versteckt. Das ist ganz niederträchtig von
ihr. Diese Hexenmutter meint immer: Besen gehören nicht vor die Haustüre,
nur weil sie einmal drübergefallen ist. Den Holzstoß für
unser Freudenfeuer hat sie auch ganz einfach fortgetragen!" jammerte
die kleine Graue. "Ach, Esmeralda sie wollte nie ein Freudenfeuer
hier am Hexengrund. Du weißt doch, daß sie um uns noch immer
so zittert, als wären wir Kleinhexen!" So schrie Clarissa laut
aus der grünen Tonne. "Du komm lieber vom Dach herunter, denn
ohne Besen will sie Dich gar nicht oben sitzen sehen, sie fürchtet
auch, es könnte einbrechen und Du dann mausetot sein. Ich habe genug
Ärger, wenn sie mich mit ihrem dritten Auge immer so anglotzt!"
Clarissa badete zweimal täglich ausgiebigst in saurer Ziegenmilch
und hielt sich deswegen für sehr gesund. "Mein Bad gönnt
sie mir ja auch nicht!" greinte sie vorwurfsvoll. Die Graue sah sich
um: "Wo ist sie denn schon wieder? Hab ich ihr nicht öfter gesagt,
daß sie, ohne uns zu fragen, nichts verändern soll, was uns
gehört. Jetzt hat sie sich bestimmt wieder in ihrem Erdloch vergraben.
Das tut sie ja immer, wenn ich sie anspucke. Erst wird ihre Nase ganz
grün und dann stellen sich ihre Haare senkrecht hoch. Wenigstens
lacht sie dann nicht mehr so widerwärtig aufdringlich!" kicherte
Esmeralda verächtlich. Clarissa prustete aus ihrem Regenfaß:
"Kannst Du Dich erinnern Schätzchen, wie wir beide sie drei
Tage allein gelassen haben. Da hat sie bei unserer Heimkehr auch so übertrieben
gelacht und gerufen: Oh, wie ich mich freue, wie ich mich freue, daß
ihr endlich wieder da seid! Da hab ich sie aber angepfiffen, daß
ihre Nase sofort grün wurde und ihre Haare hochstanden. He, hab ich
geschrien, Deine Freude kommt zu spät, viel zu spät, außerdem
gewöhne Dich endlich daran, daß Du nicht mehr zu uns gehörst."
Die kleine Graue war von ihrem Hochsitz heruntergeklettert und half ihrer
borstigen Schwesterhexe aus dem sauren Bad. "Wollen wir die gebratene
Schlange schon jetzt essen?" - "Jaja, schnell, bevor die Alte
wieder auftaucht!" Clarissa zog ihre graue Schwester in den Hexenbau.
"Hoffentlich tauscht sie ihre Perlen nicht wieder gegen irgendwelchen
Plunder ein, der für uns nicht interessant ist. Wir haben ihr doch
schon vor Mondzeiten in die Ohren geblasen, daß sie nur EINE Perle
in achtundzwanzig Tagesläufen verschwenden darf. Aber da ringelt
sie ihre Ohren ein, daß sie nichts hören kann, wenn wir drüber
klagen. Gestern hat sie schon wieder so ein ausgestopftes Vieh mitgebracht,
so als hätte sie nicht schon genug davon. Überall wohin man
schaut stehen so gräßliche Dinger herum. Und stell Dir vor,
heute, als ich sie weggehen sah, schlichen drei alte schwarze Kater hinter
ihr her. Wie sie da wieder ihre drei Augen kokett nach ihnen verdrehte.
Ganz widerlich sag ich Dir!" "Ach, sie wird eben alt",
meinte Esmeralda verächtlich, "Wir werden sie in den runden
Turm der Althexen bringen müssen, wenn sie nicht bald selbst hin
verschwindet. Doch vorher wollen wir ihre Besen und ihre Zauberkugel in
den Sumpf werfen, damit sie niemanden stören kann und wir für
sie keine Zeit verschwenden müssen." |